Unterrepräsentanz von Frauen beseitigen

Interview mit Prof. Kathrin Kölbl zum Weltfrauentag

Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist im Grundgesetz ebenso wie im Landeshochschulgesetzt vielfältig verankert. Dennoch sind noch in vielen Bereichen Nachteile für Frauen zu erkennen, die ihnen den Weg in Führungspositionen erschweren. Um diese Defizite abzubauen und Frauen die gleichen Möglichkeiten zu bieten wie Männern, engagiert sich das Gleichstellungsteam um Frau Prof. Kathrin Kölbl und schafft attraktive Angebote für mehr Studentinnen und Professorinnen an der DHBW Mannheim.  

Frau Prof. Kölbl, welche Rolle spielt die Gleichstellung an der DHBW Mannheim?

Die Gleichstellung ist als Pflichtaufgabe der Hochschulleitung ein elementares Anliegen an unserer Hochschule. Wir haben sowohl bei den Professuren mit 19,87 % als auch bei den Studentinnenanteilen mit 17,69 % (gesamte DHBW, jeweils Stand 1.10.2020) eine deutliche Unterrepräsentanz von Frauen. Diese Unterrepräsentanz zu beseitigen – daran arbeiten wir!

Mit welchen Mitteln möchten Sie dieses Ziel auf Professor*innenebene erreichen?

Wir haben über unseren Dachverband, die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten der HaW und DHBW, ganz großen Einfluss auf das 4. Hochschulrechtsänderungsgesetz genommen. Seit Jahresbeginn sollen wir deshalb die Berufungskommissionen paritätisch besetzen, die bei der Berufung neuer Professorinnen und Professoren eine ganz wichtige Rolle spielen. Dazu muss man wissen, dass dieselben in Bewerbungen dargebotenen Qualifikationen und Eigenschaften ganz anders bewertet werden, je nachdem, ob es sich um die Bewerbung einer Frau oder eines Mannes handelt. Das zeigen Forschungsergebnisse eindrucksvoll auf. Deshalb brauchen wir auch Frauen in den Berufungskommissionen und bieten in diesem Herbst eine Schulung an, die für die Thematik sensibilisiert.

Darüber hinaus verpflichtet uns das neue Landeshochschulgesetz aktiv nach Bewerberinnen auf ausgeschriebene Professuren zu suchen. Die Aussage, dass sich leider keine Frau beworben habe und dass deshalb nur Männer zur Probevorlesung eingeladen wurden, wird so nicht mehr akzeptiert werden können. Dabei haben wir auch für Frauen sehr attraktive Rahmenbedingungen: Wir arbeiten in Teams, sind in der Ausgestaltung der Lehre sehr frei und können deshalb sehr kreativ sein, und mit dem ZHL bieten wir großartige Weiterbildungsmöglichkeiten an, vor allem im Bereich der Didaktik und Persönlichkeitsentwicklung als Lehrperson.   

Und wie möchten Sie die Anzahl der Studentinnen an der DHBW Mannheim erhöhen?

Diesbezüglich sind wir vor allem in den Ingenieurswissenschaften und in der Informatik stark gefordert. Hier wünschen sich auch unsere dualen Partnerunternehmen mehr Unterstützung von Seiten der DHBW. Denn nur, wenn unsere Curricula auch junge Frauen ansprechen, erhalten die Unternehmen von Frauen Bewerbungen auf ausgeschriebene Studienplätze in diesen MINT-Fächern. Wir möchten unser Studienangebot deshalb für Frauen attraktiver machen. Dazu gehen wir an die Studieninhalte und prüfen im Rahmen der internen Akkreditierung der Studiengänge, ob die Modulpläne Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen. Da gibt es einige Stellschrauben – das haben wir in einem Pilotprojekt für den Studiengang Elektrotechnik - Medizintechnik herausgefunden und dazu werden wir uns auch extern beraten lassen.

Außerdem sind wir weiter im Empowerment aktiv. Wir bieten in diesem Jahr am 14. Oktober 2021 eine Masterclass „Career Development“ an sowie mehrere Termine zu Verhandlungstrainings. Ganz neu ist ein TechCafé für Studentinnen des Maschinenbaus. Es ist keine Kleinigkeit als einzige junge Frau in einem Kurs mit lauter Männern zu sitzen und größtenteils Männer als Lehrende präsentiert zu bekommen. Im TechCafé können sich die Studentinnen über die Erfahrungen im Studien- und Berufsalltag austauschen. Ich bin mir sicher, dass das gut angenommen wird.

Wie können sich Studierende im Alltag für das Thema Gleichstellung stark machen?

Studierende können sich in der Studierendenvertretung im Referat Gleichstellung engagieren und Teil unseres Teams Gleichstellung an der DHBW Mannheim werden, um z. B. wichtige Impulse für unsere geplanten Veranstaltungen zu geben. Ich selbst habe 2017 mit der damaligen studentischen Gleichstellungsbeauftragten das „Mach MUT für MINT“-Projekt auf die Beine gestellt, bei dem Studierende an die Schulen gehen und aus ihrem Studien- und Berufsalltag berichten. Das kam sehr gut an. Im Gegenzug nehmen die Studierenden an einem Empowerment-Programm mit Business-Coaching und Soft-Skills-Trainings teil. Leider hat uns Corona hier etwas ausgebremst, aber wir hoffen, bald wieder durchstarten zu können.

Was bedeutet der Weltfrauentag für Sie?

Den Weltfrauentag gibt es schon seit 1911! Wenn man das bedenkt, ist es traurig, dass es auch heute noch nicht selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer in den Leitungsebenen von Unternehmen und Hochschulen gleichermaßen präsent sind. Der Tag legt den Finger jedes Jahr aufs Neue in die Wunde, macht auf solche Missstände aufmerksam und bringt eine starke Solidarität für das Thema auf. Das ist gut. Deshalb unterstütze ich diesen Tag!

Was war Ihr persönliches Highlight während Ihrer Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte seit dem letzten Weltfrauentag?

Über mein absolutes Highlight kann ich leider nicht sprechen, weil ich in meiner Arbeit in Aufsichtsgremien der Schweigepflicht unterliege. Den zweiten Platz nimmt aber auf jeden Fall ein, dass wir die Gleichstellung in der internen Akkreditierung unserer Studiengänge unterbringen werden und dass wir trotz Auslaufens einer Bundesförderung für die Gleichstellung an der DHBW von unserem Präsidium nun aus Haushaltsmitteln weiter den gleichen Geldbetrag wie bisher erhalten – das sind sehr schöne Ergebnisse!

In Bezug auf das diesjährige Motto des Weltfrauentags „Women in Leadership: Achieving an equal future in a COVID-19 world“: Hat Corona die Gleichstellung von Frauen begünstigt oder führt die Pandemie eher zurück zu alten Rollenbildern?

An unserer Hochschule hatten wir sehr großzügige Homeoffice-Angebote für alle Beschäftigten. Auch unser IT-Service Center hat Großartiges geleistet. Ich höre aber von Frauen mit Kindern in Unternehmen, dass sie durch Corona schwer zurückgeworfen wurden. Die Strategie dieser Frauen ist ja in der Regel, möglichst gar nicht damit aufzufallen, dass sie noch so viele private Verpflichtungen haben. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es einfach immer zu organisieren, dass niemand im Beruf mitbekommt, wenn das Kind krank ist, Termine in der Schule anstehen oder ähnliches. Mit Corona ging diese Rechnung nicht mehr auf, denn die Kinder waren zuhause und mussten definitiv durch Mutter oder Vater betreut werden. Ich kenne viele Mütter, die dann bei ihren Leitungen vorsprechen und um Sonderbehandlung bitten mussten, weil sie zuhause unentbehrlich waren. Es gibt ja nicht in jedem Beruf die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Damit sind diese Frauen in eine Position gerutscht, die sie vor Corona unter Aufbietung aller Kräfte vermieden haben. Das hat mir für die Frauen, mit denen ich dazu in Kontakt stand, unheimlich leidgetan. Ich weiß wie anstrengend es ist, Familie und Beruf zu vereinbaren. Wir müssen in Deutschland einfach viel familien- und kinderfreundlicher werden.

Kinder zu bekommen, großzuziehen und damit eigene Bedürfnisse zurückzustellen und quasi rund um die Uhr zu arbeiten, ist eben auch eine Qualifikation, die in dieser Zeit erworben wird! Und wenn wir genau hinschauen, ist das genau die Qualifikation, die von Menschen in Leadership erwartet wird.