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Duales Studienmodell geht um die Welt
Start in Chile nach Mannheimer Vorbild
Die freundschaftliche und intensive Partnerschaft zwischen der DHBW Mannheim und der privaten Universidad del Desarollo (UDD) in Santiago de Chile und Concepción besteht seit vielen Jahren und das sehr erfolgreich. Was nicht verwundert, schließlich haben sie einiges gemeinsam: Die ausgezeichnete Lehrqualität geprägt von Interaktion sowie die besondere Nähe zur Wirtschaft und zur praktischen Realität für hochqualifizierten Führungskräftenachwuchs. Studierende und Lehrkörper der Hochschulen sind stets im Austausch, man lernt von und miteinander, treibt Innovationen voran, denkt unternehmerisch.
Startschuss für das erste duale Studienprogramm in Chile
Vom Erfolg des dualen Studienmodells der DHBW Mannheim konnte sich Vizepräsident für Innovation an der UDD, Prof. Daniel Contesse Strauss, bereits 2019 vor Ort überzeugen, als er die Duale Hochschule sowie das langjährige Partnerunternehmen Freudenberg SE in Weinheim besuchte – und die nötigen Impulse nach Lateinamerika mitnahm, um an der UDD das erste duale Studienprogramm zu realisieren. Aus der Ferne begleitet wurde dieser Prozess von zwei DHBW-Professoren: Prof. Dr. Kai Holschuh, Professor der Studienrichtung International Business, der selbst bereits in Südamerika gelebt und gearbeitet hat, und Prof. Kay Wilding, ehemaliger Studiendekan im Studiengang Elektrotechnik, der seine Expertise rund um das duale Studium im Ingenieurwesen sowie langjährige Erfahrung im Umgang mit den Partnerfirmen einbrachte.
Beschleunigte Kooperation in Pandemie-Zeiten
Nach einem intensiven Vorbereitungsjahr inklusive Online-Workshops – einer davon auch mit Marcus Braunert, Leiter des ABB Training Centers – und in regelmäßigem Dialog mit der DHBW Mannheim ging das duale Studium an der UDD an den Start: Ein komplett strukturiertes Curriculum und ein beeindruckendes Netzwerk an nationalen und internationalen Partnerfirmen konnten aufgebaut werden, sodass im Februar 2021 33 Studierende im Studienbereich Ingenieurwesen ihr duales Studium begannen. „Die Entstehung dieses dualen Studienprogramms in Chile innerhalb nur eines Jahres ist ein großer Erfolg. Ein Paradebeispiel, wie auch in Ausnahmensituationen die richtige Motivation und viel Einsatz gepaart mit starker institutioneller Unterstützung deutliche Verbesserungen in Bildung schaffen können und neue Bildungschancen eröffnen. Wir haben uns nahezu jede Woche für ein paar Stunden online getroffen und mit ca. 4-12 Personen aus Verwaltung und Lehre an der UDD ausgetauscht. Wir sind gespannt, wie es weitergeht!“, resümiert Prof. Dr. Kai Holschuh die intensive Zusammenarbeit mit der UDD.
Auch in Palästina wird dual studiert
Doch Chile ist nicht das erste Exportland für das duale Studienmodell. Prof. Kay Wilding hat bereits eine starke Kooperation mit der Al-Quds Universität in Ost-Jerusalem ins Leben gerufen. Auch hier stand er der Kooperationspartnerin unterstützend zur Seite: Er führte Gespräche mit Universitätsmitarbeiter*innen, ortsansässigen Firmen, dem Bildungsministerium, dem deutschen Vertretungsbüro in Ramallah, der Akkreditierungsbehörde AQAC, Handelskammern und vielen mehr – alle erfolgreich, sodass dort seit 2015 und gefördert durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) ein duales Studium absolviert werden kann. Ziel ist die Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für palästinensische Jugendliche. Das Projekt wurde bereits mehrfach verlängert und Kay Wilding ist dort seit Oktober 2020 als International Academic Advisor für die finale Umsetzung des Konzepts mit verantwortlich.
„Gemeinsam können wir alle Herausforderungen meistern“
Einen umfangreichen Blick auf die Entwicklung des dualen Studienmodells und dessen Anpassung auf die regional vorherrschenden sowie universitären Rahmenbedingungen in Chile bietet Prof. Fernando Rojas, Dekan der Fakultät Ingenieurwesen an der UDD im Interview.
Herr Prof. Fernando Rojas, wie kamen Sie auf die Idee, ein duales Studium an der UDD einzuführen?
Wir suchten schon lange nach Wegen, um unseren Studierenden mehr Erfahrung in der Arbeitswelt zu bieten und so das Studium außerhalb der akademischen Umgebung sinnvoll zu ergänzen. Mit der DHBW Mannheim kooperieren wir bereits seit Jahren bei der Studierendenmobilität. Dass das duale Studium auch für unsere Hochschule ein funktionierendes Modell ist, wurde beim Besuch von Prof. Nagler an der UDD im Sommer 2019 und beim Gegenbesuch in Mannheim im Dezember von Prof. Daniel Contesse Strauss, dem Vizepräsident der UDD, klar – vor allem die Gespräche, die er mit Vertreter*innen von Freudenberg führen konnte, waren sehr aufschlussreich. Gestartet mit der Planung des dualen Studiums haben wir im März 2020 – dass wir innerhalb eines Jahres so weit kommen, haben wir nicht gedacht.
Welche Aspekte des dualen Studiums fanden Sie besonders attraktiv und wichtig? Was hat Ihnen daran besonders gut gefallen?
Besonders beeindruckt hat uns die tiefe Verbindung mit den Unternehmen, die einen großen Teil des Studiums mit übernehmen. Zum Beispiel sind es die Unternehmen, welche die Studierenden aussuchen, diese bekommen im Gegenzug dann einen richtigen Vertrag über mehrere Jahre und ein monatliches Gehalt. Das ist in Chile eigentlich unvorstellbar. Auch die sich abwechselnden Studien- und Arbeitsphasen waren neu. Außergewöhnlich ist auch die Interaktion zwischen Universität und Unternehmen, also die kollegiale Zusammenarbeit zwischen den Professor*innen und den Ausbilder*innen in den Unternehmen auf Augenhöhe bei allen Belangen rund um die Studierenden. Das ist eine richtige Partnerschaft. Das gibt es so bei uns auch nicht – hier herrscht normalerweise eine klare Trennung zwischen der Hochschulwelt und der Arbeitswelt.
Warum startete die UDD mit einem dualen Studienprogramm im Ingenieurwesen und nicht in einer anderen Studienrichtung?
Vielleicht sind wir Ingenieure besonders innovativ [lacht], vielleicht ist in diesem Bereich das Problem in Chile aber auch einfach nur besonders offensichtlich. Jedenfalls erschien uns das als der logischste Schritt. Aber ich glaube, das war in Baden-Württemberg ganz genau so, oder? Jedenfalls mussten wir zunächst einmal gewährleisten, dass wir alle Qualitätsvoraussetzungen eines Ingenieursstudiums auch erfüllen. Das haben wir geschafft, in dem wir so gut wie sämtliche Studieninhalte des normalen Studiums auch für das duale Studium übernommen haben. Im dualen Programm müssen die Studierenden den praktischen Teil noch zusätzlich absolvieren. Das ist also auch ein richtiges Intensivstudium. Dafür bringen die Studierenden dann die praktischen Erfahrungen mit zurück an die Hochschule.
War es schwierig Unternehmen für das Modell zu gewinnen?
Oh ja! In Chile glauben die meisten Unternehmen, dass sie den Studierenden und den Universitäten einen Gefallen tun, wenn sie Praktika anbieten. Und sie sehen meist nicht, dass auch sie selbst davon einen Vorteil haben können. Dass es bei einem dualen Studium tatsächlich einen „return on investment“ gibt, davon mussten wir die Unternehmen erst überzeugen. Sicher hat es uns dabei geholfen, dass die UDD als junge, innovative Universität mit super Rankings einen hervorragenden Ruf in Chile und Lateinamerika genießt.
Wie hilfreich war die DHBW Mannheim bei Ihrem Vorhaben? Und wie haben Sie dabei das Problem der Entfernung in der Corona-Situation gemeistert?
Extrem hilfreich! Die beiden Professoren Kai Holschuh und Kay Wilding haben sehr viel Zeit investiert und ihr wertvolles Wissen eingebracht. Auch die Unterstützung bei der Beantragung von Projektmitteln in Chile war wichtig. Ohne die DHBW wäre diese schnelle Umsetzung nicht möglich gewesen. Es mag seltsam klingen, aber ich denke, dass die Corona-Situation sogar förderlich war. Wir wurden zu Online-Meetings und -Workshops gezwungen, etwas von dem wir vor der Pandemie nie richtig Gebrauch gemacht haben. Wir konnten das auch viel regelmäßiger machen. Wir trafen uns über mehrere Monate fast jede Woche, diskutierten mit unseren Professor*innen, Mitarbeiter*innen in der Verwaltung und Unternehmensvertreter*innen. Da hat sich eine Dynamik entwickelt, beflügelt durch diese besondere Zeit. Alle hatten das Gefühl, an etwas Wichtigem beteiligt zu sein und etwas schaffen zu können. Das war sehr beeindruckend.
Das Programm läuft seit Februar 2021. Haben Sie bereits eine erste Resonanz der Unternehmen oder der Studierenden und der beteiligten Professoren? Was ist Ihr Eindruck?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch schwierig etwas über die Resonanz zu sagen. Wir haben ja erst vor ein paar Wochen begonnen. Aber wir haben es immerhin geschafft, 14 chilenische Unternehmen für das Programm zu gewinnen, die dann 33 Studierende eingestellt haben. Aus unserer Sicht ist das ganze hervorragend angelaufen. Außerdem funktioniert unser Programm auch etwas anders als an der DHBW. Bei uns dauert das Ingenieurstudium 5 Jahre und nach dem 3. Jahr können sich Studierende bei den Unternehmen bewerben. Die letzten 2 Jahre laufen dann wie an der DHBW im Wechsel zwischen Universität und Unternehmen. In dieser Pilot-Runde haben sich nur die besten Studierenden ihres Jahrgangs beworben. Was uns nicht überrascht hat, schließlich ist das duale Programm mit einem hohen Arbeitsaufwand sehr intensiv.
Gibt es bereits Pläne für die nächsten Schritte? Soll z. B. auf andere Studienrichtungen ausgeweitet oder die Kooperation mit der DHBW weiter vertieft werden?
Zunächst einmal müssen wir schauen, dass mit dem ersten Jahrgang alles gut läuft und wir das Programm etablieren. Mittelfristig wollen wir das Modell auf andere Programme in der Engineering School ausweiten und schließlich ist auch die Umsetzung in Wirtschafts-Studiengängen denkbar. Unsere Kooperation mit der DHBW Mannheim im Bereich Studierendenmobilität würden wir tatsächlich sehr gern ausweiten: Ziel ist, dass unsere dual Studierenden gemeinsam mit einem DHBW Studierenden eine Praxisphase bei einem Partnerunternehmen der DHBW in Deutschland absolvieren können. Und anschließend arbeitet dieser deutsche Studierende dann beim Unternehmen des chilenischen Studierenden für eine Praxisphase. Wir sind überzeugt, dass dies einen immensen Mehrwert bringen würde. Nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die beteiligten Unternehmen. Denn wenn uns eins dieses letzte Jahr gezeigt hat, dann, wie wichtig es ist, voneinander und vor allem miteinander zu lernen. Gemeinsam können wir alle Herausforderungen meistern.
Das Interview führten Carsten Münch und Luciana Madureira-Winkelhausen vom International Office der DHBW Mannheim.