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"Das ist mein Traumjob"
Prof. Stefan Hilbert lehrt, koordiniert und publiziert
Seit 15 Jahren lehrt Herr Prof. Stefan Hilbert an der DHBW Mannheim – und das mit Engagement. Stillstand gibt es bei ihm nicht, auch nicht bei seinen Tätigkeiten, die von der Lehre in BWL - Finanzdienstleistungen bis hin zu vielseitigen, koordinativen Aufgaben als Studiendekan und Studiengangsleiter reichen. Für seine Studierenden hält er manche Extras wie die akademischen Spaziergänge bereit und sorgt für aktuelle, an die Entwicklungen in der Wirtschaft angepasste Studieninhalte. Dabei lässt er Erfahrungen aus 20 Jahren im Finanzwesen einfließen, die er seit seinem eigenen VWL-Studium an der Universität Mannheim gesammelt hat. Eines seiner fachlichen Schwerpunkte: Behavioral Finance. Zu diesem Thema hat er nun gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Metzner, Fachleiter Financial Services an der Internationalen Berufsakademie Heidelberg (iba), ein Lehrbuch veröffentlicht, das in die Psychologie der Kapitalanleger einführt und anhand der aktuellen Finanzmarktentwicklung zeigt, wie Anlageentscheidungen am Finanz- und Kapitalmarkt zustande kommen.
Herr Prof. Hilbert, Ihr neues Buch „Behavioral Finance“ wird auf der Seite des Kohlhammer-Verlags mit „Der etwas andere Blick auf das Finanzmarktgeschehen“ untertitelt. Worum geht es in dem Lehrbuch und warum ist Ihre Perspektive eine neue?
Wenn wir uns die Entwicklungen im täglichen Leben und an den Finanzmärkten anschauen, dann stellen wir seit vielen Jahren fest, dass Menschen nicht immer rational handeln. Manchmal entscheiden wir aus dem Bauch heraus, werden von Gefühlen oder Meinungen anderer geleitet oder haben einfach Vorlieben oder Ressentiments, ohne uns dessen so richtig bewusst zu sein. Genaugenommen entscheiden wir in den seltensten Fällen nach einem Abwägen von Vor- und Nachteilen, vielmehr hat unser Gehirn bereits automatisches eine Entscheidung getroffen, bevor unser Verstand einsetzt. Klar, in der Rückschau denken wir meist, dass wir Entscheidungen bewusst und mit Bedacht getroffen haben. Das ist aber eine Illusion, wir rationalisieren im Nachhinein. Dieses Verhalten trifft an den Finanzmärkten auch zu. Viele Anleger*innen lassen sich von Gefühlen leiten oder beziehen ihre Informationen aus zweifelhaften Quellen. Foren im Netz etwa bergen die Gefahr, dass man sich innerhalb einer geschlossenen Gruppe Gleichgesinnter in einer Filterblase bewegt und nur einseitige Informationen ausgetauscht werden. Vielfältige Meinungen und Informationen sind aber für eine effiziente und damit faire Kurs- bzw. Preisbildung an Börsen sehr wichtig. Was wir aber beobachten können, sind teilweise extreme Kursschwankungen oder Preisentwicklungen in eine Richtung, wenn sich beispielsweise eine Preisblase aufbaut. Fundamental gerechtfertigt sind diese Preise dann nicht und die Entwicklung kann lange anhalten, sodass es irgendwann zu einer überraschenden Kurskorrektur kommt. Derartige Entwicklungen greifen wir in unserem Buch auf und schauen mit vielen Beispielen hinter den Entscheidungsprozess. Wenn Menschen sich der Gründe möglicher Fehlerquellen bei Finanzenscheidungen bewusst werden, ist der erste Schritt für besseres Entscheiden gemacht. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu, denn die Ökonomie beschäftigte sich in ihren Anfängen auch mit Psychologie und moralphilosophischen Themen. Durch die zunehmende Mathematisierung seit den 1940ern rückten abstrakte Modelle und Optimierungsstrategien in den Fokus. Diese rationale, mathematisch fundierte Sicht des Homo oeconomicus ist auch enorm wichtig, denn nur dadurch haben wir ein Referenzmodell und können bewerten, ob ein Verhalten irrational ist oder eben nicht.
Wie kam es zu dem Buch und zu der Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thomas Metzner?
Prof. Metzner kenne ich schon länger, er hat vor seiner Zeit an der iba bei mir in der Studienrichtung Finanzdienstleistungen als nebenberuflicher Dozent gelehrt. Das Interesse an der Behavioral Finance teilen wir seit vielen Jahren und als sich dann Anfang 2020 die Möglichkeit ergab, mit dem Kohlhammer-Verlag das Buchprojekt zu realisieren, haben wir zugegriffen. Kurz nachdem wir mit dem Kohlhammer-Verlag das Projekt vereinbart hatten, ist Corona ausgebrochen. Das hat unser Buchprojekt nicht entspannt, denn Prof. Dr. Metzner ist an seiner Bildungseinrichtung wissenschaftlicher Leiter im Studiengang BWL, ich bin Studiengangsleiter und Studiendekan Finanzdienstleistungen. Wir waren also beide in unserem Hauptjob gut ausgelastet. Wir hatten aber auch den Ehrgeiz, das Buchprojekt zügig durchzuziehen. Ein Vorteil war sicherlich, dass wir beide Volkswirte sind und eine ähnliche Denke haben. Damit liefen die Abstimmungen untereinander sehr gut. Im Spätsommer war dann unser Manuskript fertig.
Inwieweit ist Behavioral Finance ein Bestandteil des Finanzdienstleistungen-Curriculums? Haben Sie während des Schreibprozesses Erkenntnisse gewonnen, die Sie in Ihre Lehre einfließen lassen können?
Seit 2013 gibt es die Studienrichtung Finanzdienstleistungen an der DHBW Mannheim und ich habe bereits im ersten Jahrgang das Wahlfach 'Vertriebsmanagement' mit der Lehrveranstaltung 'Verhaltensökonomie für Finanzdienstleister' angeboten. Mit den Jahren haben wir die Inhalte weiterentwickelt und mittlerweile lehre ich die Fächer 'Verhaltensökonomie und Risikokompetenz' sowie 'Behavioral Finance' in meiner Studienrichtung. Die 'Verhaltensökonomie für 'Finanzdienstleister' (und damit auch 'Behavioral Finance') lehre ich auch im Masterprogramm am CAS. Gerade die Fallstudien, die im Buch enthalten sind, fließen so oder in abgewandelter Form in meine Lehre ein. Während des Schreibprozesses hat der Wirecard-Skandal die Medien beherrscht. Das habe ich dann ins Buch aufgenommen sowie auf das Modell von Kindleberger und Minsky zur Preisblasenbildung übertragen und als Praxisbeispiel in meine Lehrveranstaltung integriert.
Welchen Mehrwert bietet es Studierenden, Wissen im Bereich Behavioral Finance zu haben?
Zu erkennen, wie Entscheidungen getroffen werden, ist aus unserer Sicht für Erfolg im Berufsleben enorm wichtig. Trotz aller Digitalisierung haben wir es noch immer mit Menschen zu tun und wenn ich deren Entscheidungsverhalten kenne, kann ich mich etwa im Beratungsprozess darauf einstellen. Im Idealfall nutzen die Studierenden ihr Wissen für eine nachhaltige, faire Beratung und schützen ihre Kund*innen vor Fehlentscheidungen. Natürlich können auch wir kein Allheilmittel bieten, das in jeder Situation hilft. Denn, wenn Emotionen bei Entscheidungen im Spiel sind, wird es schwierig. Emotional aufgeladene, um nicht zu sagen beratungsresistente Kund*innen sind schwer zu mäßigen und vor sich selbst zu schützen. Gleichzeitig lernen unsere Studierenden aber auch, dass eine ausführliche Beratungsdokumentation die Berater*innen vor ungerechtfertigten Anschuldigungen im Nachhinein bewahren kann.
Sie sind seit mehr als 15 Jahren an der DHBW Mannheim, kennen die Hochschule sehr gut und haben mehrere Studierendengenerationen durch das Studium begleitet. Was begeistert Sie an der Hochschule, dass Sie ihr so lange die Treue halten?
Ich bin nach wie vor gerne Professor an der DHBW. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass es mein Traumjob ist. Ich kann junge Menschen beim Berufseinstieg begleiten, meine Lehre immer wieder an aktuelle Gegebenheiten anpassen. In meinen Fächern (Behavioral Finance, Volkswirtschaftslehre, Unternehmensführung, Controlling, strategische Steuerung) entwickelt sich so viel, da ist fast jedes Jahr anders. Auch bei den Studierenden ist jeder Jahrgang anders. Grundsätzlich kann ich aber feststellen, dass die jungen Leute aufgeschlossener und direkter als früher sind. Das ist toll, da schnell ein Draht zueinander entsteht und es eine direkte Kommunikation fördert. Das erachte ich als wesentlichen Vorteil unseres Modells: Es gibt kaum eine Barriere zwischen meinen Studierenden und mir als Professor und ich freue mich, wenn sie meinen Rat suchen. Als ich noch selbst Student in Mannheim war, hat man die Professor*innen lediglich zur Vorlesung gesehen und eigentlich auch nicht angesprochen. Durch die Nähe und die enge Zusammenarbeit mit den Studierenden ist man als akademischer Lehrer aber natürlich auch mehr gefordert, da man stärker auf individuelle Fälle eingeht und dadurch flexibel sein muss.
Der direkte Praxisbezug ist ein Argument, warum ich für unser Modell noch immer brenne. Das Akademische auf die Praxis herunterbrechen und so zu übersetzen, dass der Mehrwert und die Anwendung deutlich werden, das finde ich nach wie vor total spannend.
Bevor die Corona-Pandemie zu einer Umstellung auf Online-Lehre geführt hat, haben Sie im Studiengang BWL - Finanzdienstleistungen einige Extras in den Hochschulalltag eingebunden, so z. B. die akademischen Spaziergänge und andere spannende Exkursionen. Wie hat sich das Angebot unter Corona verändert?
Gerade die akademischen Spaziergänge leben von der direkten Begegnung. Traditionell wandern wir den Philosophenweg in Heidelberg entlang und kommen außerhalb des Studienalltags in entspannter Atmosphäre ins Gespräch. Geografisches Ziel des Spaziergangs ist seit einigen Jahren die Zentrale von SAS-Institute, wo wir einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen zu den Themen Digitalisierung und Finanz-Software erhalten. Anschließend treffen wir uns alle dann immer in der Gaststätte des Klosters Stift Neuburg, das direkt nebenan liegt. Mit dem Distanzgebot in Corona-Zeiten war so eine Exkursion oder ein Besuch der EZB natürlich nicht vereinbar. Was ich aber angeboten habe, waren Online-Kaffee-Treffen. Mein Team und ich haben uns dann mit den Studierenden zu einem Austausch außerhalb der Vorlesungszeit im virtuellen Hörsaal verabredet. Wir saßen dann mit unseren Kaffee- oder Teetassen vor den Bildschirmen und haben geredet. Das war keine Pflichtveranstaltung – wer teilnehmen wollte, war herzlich willkommen.
Da es die Corona-Zahlen zuließen, konnten wir im Juli endlich wieder den ersten akademischen Spaziergang mit dem 2. Semester realisieren. Zwar verkürzt, wir sind in der Coblitzallee gestartet und am Neckar entlangspaziert, aber immerhin. Das war schön, denn ebendiese Studierenden haben ihr komplettes 1. Semester an der DHBW Mannheim von zuhause aus bestritten und hatten keine Möglichkeit, sich am Campus zu treffen und als Kurs kennenzulernen.
Haben sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Inhalte geändert, bringen z. B. Studierende neue Fragestellungen aus ihren Praxisphasen mit in die Theoriephasen?
Das Thema New-Work fällt mir da besonders ein. Klar, die Pandemie hat uns alle gezwungen, neue Arbeitsmodelle einzuführen und das wird sich auch weiterentwickeln. Sonst kann ich keine große Änderung feststellen – zumal die Digitalisierung bereits seit Jahren ein Dauerbrenner ist.
Haben Sie auch Kontakt mit Ihren ehemaligen Studierenden?
Ich habe mit einigen Studierenden aus allen bisherigen Jahrgängen meiner Studienrichtung Finanzdienstleistungen Kontakt. Einige halten mich einfach auf dem Laufenden über ihre berufliche oder akademische Entwicklung und ich freue mich, wenn eine E-Mail oder eine Nachricht über mein berufliches Netzwerk kommt. Gerade kürzlich hat mich eine ehemalige Studentin kontaktiert, da sie meine Meinung zu zwei Jobangeboten hören wollte und wir haben dann lange miteinander telefoniert. Das empfinde ich als Vertrauensbeweis. Mittlerweile sind ehemalige Studierende auch bei mir in der Lehre eingestiegen, was ich klasse finde. Sie kennen das Modell und können nun ihre eigene Erfahrung aus dem Studium und dem Berufsleben einbringen. Zwei Absolventen meiner Studienrichtung haben sich nach ihrem Studium selbstständig gemacht und mit snocks ein richtig erfolgreiches Business aufgebaut. Das finden dann auch die Studierenden der aktuellen Jahrgänge spannend, wenn etwa Felix von snocks bei mir in der Vorlesung die Finanzplanung erklärt und am praktischen Beispiel auch von der Gründungsphase berichtet.
Die Karrierewege unserer Studierenden können in ganz unterschiedliche Richtungen gehen – ich freue mich, dass wir ihnen hier an der DHBW Mannheim so gute Voraussetzungen bieten können, um sich in der Breite zu entfalten.
Vielen Dank und alles Gute, Herr Prof. Hilbert!