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Neugierig auf die Zukunft?
Ausschreibung zu SciFi-Kurzgeschichten gestartet
Professor in BWL - Industrie und Autor fiktionaler Literatur: Kai Focke ist beides und vereint diese zwei Welten an der DHBW Mannheim auf einzigartige Weise – mit Mehrwert für Studierende und Duale Partner. So koordiniert er z. B. die Kooperation mit der Phantastischen Bibliothek Wetzlar (PBW). In Zusammenarbeit mit der Sektion Future Life werden hierbei Science-Fiction-basierte Zukunftsszenarien und -studien erstellt, woraus Unternehmen Ideen sowie Impulse für Produkte und Dienstleistungen gewinnen können. Daran angeknüpft hat er für das 50-jährige Jubiläum der DHBW in 2024 ein Projekt ins Leben gerufen, das allen Hochschulangehörigen und Interessierten außerhalb der DHBW eine Chance zur Partizipation gibt: Eine Anthologie zum Thema "Hochschule der Zukunft im Jahr 2049", die er zusammen mit der Autorin Sabine Frambach herausgeben möchte. Bis 31.10.2023 können Kurzgeschichten aus dem Genre der Near-Future Science Fiction eingereicht werden.
Wie es dazu kam, was daran aus wissenschaftlicher Perspektive spannend ist und worauf das Herausgeber-Team bei den eingereichten Kurzgeschichten Wert legt, verrät er im Interview – außerdem warten hilfreiche Tipps für angehende SciFi-Autor*innen.
Herr Prof. Dr. Focke, wie kamen Sie auf die Idee, eine Science-Fiction-Anthologie zum 50-jährigen Bestehen der DHBW in die Wege zu leiten?
Seitdem ich 2014 meine Arbeit als Professor an der DHBW Mannheim aufnehmen durfte, frage ich mich, wie sich der Hochschulbereich weiterentwickeln wird. Welche Chancen, aber auch Risiken bietet uns die Digitalisierung der Lehre? Welche neuen Lern- und Lehrmethoden werden sich im Kontext der modernen Pädagogik und auch der Hirnforschung ergeben? Wie werden sich Forschung und Lehre im Lichte sich wandelnder gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen verändern? Lauter spannende Fragen, bei denen ich mir die vielzitierte Glaskugel wünschen würde. Die Hochschulanthologie könnte, passend zum Hochschuljubiläum, einen Blick in diese Glaskugel ermöglichen: Zu sehen, was bereits geschaffen wurde und was zukünftig denkbar sein könnte. Ein paar dieser Möglichkeiten, in Form kreativer Ideen, würde ich gern in der Anthologie einfangen und zum Jubiläum präsentieren.
Bei der Anthologie erbitten Sie Kurzgeschichten, die zum Genre der Near-Future Science Fiction gehören. Welche Attribute sollten sie also erfüllen?
Wir wünschen uns Texte, die im Jahr 2049 spielen und damit vom Jubiläumsjahr 2024 aus 25 Jahre in der Zukunft angesiedelt sind. Handlung und Hintergrund der Geschichten sollen grundsätzlich denkbar sein. Im Rahmen der Ausschreibung hatten meine Mit-Herausgeberin Sabine Frambach und ich das Negativbeispiel einer Außenstelle der DHBW auf dem Planeten Mars angegeben. Vielleicht wird es irgendwann Siedlungen und auch eine Duale Hochschule auf dem Mars geben. Sicher jedoch nicht im Jahr 2049. Ebenso wird man 2049 den Lernstoff nicht in Form von Pillen verabreichen können. Eventuell werden aber Body Enhancements eingesetzt werden, das sind technische Vorrichtungen, die körpereigene Potenziale erweitern. Keine besonders schöne Vorstellung, die aber grundsätzlich denkbar wäre. Das ist eine Voraussetzung für die Kurzgeschichten in der Anthologie. Die Ausgestaltung, ob als Krimi, Liebesgeschichte, Campusabenteuer, Sozialkritik etc., ob utopisch oder dystopisch, das ist den Autorinnen und Autoren überlassen. Inhaltlich zählen Kreativität, Objektivität und ein nachvollziehbarer Handlungsstrang.
Sie sind selbst Autor von fiktionaler Literatur. Seit wann beschäftigen Sie sich mit Science-Fiction und was begeistert Sie daran?
Meine erste aktive Erinnerung an Science-Fiction verbinde ich mit der Kinderserie "Captain Future". Meine Eltern besaßen damals einen Video 2000, einen Magnetbandrekorder, mit dem sie Folgen der Serie aus dem Fernsehen für mich aufgenommen haben. Magnetbandrekorder, feste Sendezeiten – keinerlei Video-on-Demand –, echte Zeichentrickformate, das klingt heute nach medialem Mittelalter – und ist gerade einmal 40 Jahre her. Werden folgende Generationen in 40 Jahren auf unsere Medienformate ebenso mit einem Lächeln zurückschauen? Böse gesprochen kann man Science-Fiction als Träumerei bezeichnen. Wieso an eine entfernte Zukunft denken, wenn wir uns im Hier und Jetzt mit ernsten Problemen konfrontiert sehen, die es zu bewältigen gilt? Positiv gesagt kann ein Blick in die Zukunft jedoch in mehrfacher Hinsicht helfen: Wir können überlegen, was wir erreichen und verbessern wollen. Welche Weichenstellungen es heute einzuschlagen gilt. Wir können uns von der Beschreibung zukünftiger Technologien inspirieren lassen oder uns über deren Gefahrenpotenzial im Klaren werden. Wir können unsere Kreativität voll ausschöpfen und nebenbei Spaß daran haben. Die Vielfältigkeit, die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, der Quell an Kreativität, das ist es, was mich an Science-Fiction begeistert.
Roboter/Humanoide, Naturkatastrophen und Künstliche Intelligenz (KI) tauchen immer wieder in Science-Fiction auf. Haben Sie ein Thema, über das Sie am liebsten schreiben?
Tatsächlich habe ich zu allen genannten Themen bereits Kurz- oder Kürzestgeschichten geschrieben. Aktuell stehen bei mir Künstliche Intelligenzen hoch im Kurs. Future Life hat im Rahmen der Studie "Produkte und Produktionsprozesse der nahen Zukunft" die Anthologie "Lernende Maschinen" herausgegeben. Darin bin ich u. a. mit einer KI-Geschichte vertreten, welche das Spannungsfeld zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz aus einer humoristischen Perspektive beleuchtet.
Was ich in dem Zusammenhang für besonders erwähnenswert halte, ist die außerordentliche wissenschaftliche und gleichzeitig kreative Leistung des Biochemikers, Sachbuch- und Science-Fiction-Autors Isaac Asimov. In "Runaround" thematisierte er 1942 – also vor über 80 Jahren – die sogenannten Robotergesetze, die noch heute die Überlegungen innerhalb des Spannungsfelds Mensch und Maschine oder Mensch und Künstliche Intelligenz beeinflussen. Die Gedanken, die zu den Robotergesetzen geführt haben, sind umso mehr beeindruckend, da es 1942 noch keine Roboter gab. Den ersten Industrieroboter, der quasi aus einem beweglichen, mechanischen Arm bestand und heute wahrscheinlich noch nicht einmal als Roboter wahrgenommen werden würde, gab es erst 1956. Und die Idee, diesen zu konstruieren, soll auf der Lektüre von Asimovs Robotergeschichten basieren. Unsere Gegenwart wäre ohne Robotik vielleicht nicht unvorstellbar – aber sicher eine völlig andere.
Für all diejenigen, die vielleicht noch nicht so viel Routine im Schreiben haben: Wie gehen Sie vor? Haben Sie einen inspirierenden Ort, an dem Sie gut schreiben können?
Das Schaffen fiktionaler Texte ist ein ebenso kreativer wie individueller Prozess. Hierbei halte ich einen die Kreativität beflügelnden Ort für hilfreich. Das kann ein Ruheort, beispielsweise eine abgelegene Parkbank, ein Bibliotheksarbeitsplatz – man ist bereits von Büchern umgeben – oder ein schönes Café, wie das Café Agáta hier bei uns am Campus Coblitzallee, sein. Es sollte ein Platz sein, an dem man sich wohlfühlt und der sich idealerweise außerhalb der Alltagsroutinen befindet.
Wie kann man nun die Ideen anstoßen? Ich würde vorschlagen, verschiedene Methoden auszuprobieren. Meine Kreativität rege ich beispielsweise durch das Lesen von Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten an. Nicht, dass ich dort etwas kopieren möchte, doch durch das Hinwegtragen der Gedanken an andere, fiktionale Orte werden neue Überlegungen und Gedanken ausgelöst. Gern nehme ich mir auch ein Blatt Papier, in dessen Mitte ich mir das Kernthema der ins Auge gefassten Geschichte schreibe, und dann alles notiere, was mir dazu einfällt, egal ob passend oder nicht. Aussortieren kann man später. Dieses Vorgehen ähnelt dem Mindmapping. Wenn man schließlich brauchbare Ideen hat, beginnt man, um diese herum eine Geschichte zu spinnen, das sogenannte Plotten. Hierfür sollte man sich Zeit nehmen und nicht sofort mit dem Drauflos-Schreiben beginnen, wobei mir an dieser Stelle wahrscheinlich andere Autorinnen und Autoren widersprechen würden.
Gerade am Anfang sollte man verschiedene Ansätze ausprobieren, bis man seinen eigenen Arbeitsstil gefunden hat. Zudem empfiehlt sich der Besuch von Schreibseminaren oder -workshops, mancherorts treffen sich auch Autorinnen und Autoren zum kreativen Austausch, quasi zu einem Schreibstammtisch. Daher gilt auch hier: Netzwerken und gemeinsam Arbeiten.
Die Science-Fiction ist aber nur eine Ihrer Leidenschaften. An der DHBW Mannheim sind Sie Professor in BWL - Industrie und konzentrieren sich auf Vorlesungen in Kosten- und Leistungsrechnung/Controlling, Investition und Finanzierung sowie Wissenschaftliches Arbeiten und Wissenschaftstheorie. Inwiefern fließen Erkenntnisse aus Ihrer Autoren-Tätigkeit und der Kooperation mit der PBW in Ihre Lehre ein?
Da ich weder Ingenieur noch Produktdesigner bin und auch nicht diese Fächer vertrete, fokussieren meine Veranstaltungen nicht die Analyse von Science-Fiction-Literatur oder das Entwickeln neuer Gadgets. Future Life hilft mir jedoch, meine Studierenden neugierig auf die Zukunft zu machen und zum Nachdenken zu bringen. Andererseits kann ich die mit Future Life verbundene Kreativität, beispielsweise durch den Einsatz entsprechender Techniken und Methoden, in die Lehre einbringen, die wiederum von den Studierenden im Rahmen der beruflichen Praxis, aber auch im Zuge der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten, genutzt werden können. Wissenschaft ist keine trockene Materie. Sie lebt von Kreativität und dem Entwickeln von Ideen, wie Probleme gelöst und Erkenntnisse gewonnen werden können. Wer das kann, kann auch die Herausforderungen des Arbeitsalltags besser meistern. Man könnte sagen, dass ich versuche, neben betriebswirtschaftlichen Studieninhalten, den Geist der Science-Fiction zu vermitteln.
Sie erwähnten bereits die Mit-Herausgeberin der Anthologie, Frau Sabine Frambach. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit ihr?
Sabine habe ich 2015 bei einem Netzwerktreffen in Wetzlar kennengelernt. Dort kommen einmal jährlich die Autorinnen und Autoren der "Phantastischen Miniaturen" zusammen, einer von Thomas Le Blanc herausgegebenen Schriftenreihe. Thomas Le Blanc ist Leiter und Gründer der Phantastischen Bibliothek und alles andere als unschuldig an unserer Kooperation. Diese Schriftenreihe ist ein Experimentierfeld für neuartige, unkonventionelle und – im positiven Sinne – verrückte Ideen, die sich in sogenannten Kürzestgeschichten niederschlagen: Zwei- bis dreiseitige Plots mit durchgehendem Handlungsstrang und Pointe. Seitdem tauschen Sabine und ich uns aus, feilen gemeinsam an Texten und haben zwischenzeitlich bereits zwei Anthologien herausgegeben: 2021 "Staubkornfee trifft Ich-Maschine", eine Textauswahl von 37 Autorinnen und Autoren der ersten 30 Miniaturen-Bänden, sowie 2022 "Türen, Tore & Portale", ein phantastischer Genre-Mix ausschließlich aus eigenen Texten. "Staubkornfee trifft Ich-Maschine ist" – wie auch die Hochschul-Anthologie – ein Benefiz-Projekt zugunsten der PBW gewesen.
Eine Anthologie zu realisieren ist deutlich mehr Arbeit, als es nach außen aussieht. Wer steht neben dem Herausgeber-Team noch hinter dem Projekt?
Zunächst wäre da unser Rektor Herr Prof. Dr. Nagler, ohne dessen Wohlwollen unser Projekt in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Zudem müssen das Anthologie-Projekt und die dazugehörige Ausschreibung innerhalb und außerhalb der Hochschule bekanntgemacht werden. Dabei hilft uns – so auch im Rahmen dieses Interviews – die Hochschulkommunikation. Da die Ausschreibung anonymisiert erfolgt, müssen die eintreffenden Geschichten erfasst, von den E-Mails getrennt und an Sabine und mich weitergeleitet werden. Das haben die Kolleginnen und Kollegen vom hochschulinternen Zentrum für experimentelle und empirische Betriebswirtschaftslehre (ZEEB) übernommen. Nicht zu vergessen die vielen hilfsbereiten Menschen innerhalb unserer Netzwerke, die die Ausschreibungsinfo weitergeben.
Und: Ohne Autorinnen und Autoren auch keine Anthologie. Es würde uns daher sehr freuen, wenn alle Interessierten, die das lesen – auch außerhalb der Hochschule – den eigenen Kreativitätsmotor anwerfen, auf Hochtouren bringen und uns eine Geschichte senden. Einsendeschluss ist der 31.10.2023. Deshalb: Gebt den Ideen Raum, sich zu entfalten – und klopft in die Tasten!