Elektroingenieurin mit Blick nach vorne

Prof. Dr. Lamek-Creutz lehrte in China und nun in Mannheim

Seit 1959 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Dresden und Breslau – der Heimatstadt von Frau Prof. Dr. Bozena Lamek-Creutz. Daran geknüpft waren auch Programme für junge Menschen aus Breslau, die an der TU Dresden studieren wollten. Diese Gelegenheit ergriff Frau Prof. Dr. Lamek-Creutz und startete dort ihr Studium der Elektrotechnik. Im Anschluss arbeitete sie als Projektleiterin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren und promovierte 2011 an der TU Dresden zum Thema „Bildgebende Auswerteverfahren für die akustische Mikroskopie auf der Basis mehrkanaliger Ultraschallwandler“. Mit dem Dr.-Ing. ausgestattet, war sie 2 Jahre lang als Projektleiterin Umwelt-/Energietechnik am Steinbeis-Europa-Zentrum der Steinbeis Innovation gGmbH tätig, bis sie sich 2013 selbstständig machte. In ihrem Unternehmen bündelt Frau Prof. Dr. Lamek-Creutz mehrere Kompetenzen, die von Ingenieurdienstleistungen in Mess- und Prüftechnik sowie numerischen Berechnungsmethoden, über Softwareentwicklung hin zu Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung reichen. Parallel dazu wurde sie mit zwei Gastdozenturen und einer Gastprofessur an drei chinesischen Universitäten ausgezeichnet und lehrt dort seit 2014 – mal in Präsenz, mal online. Als externe Dozentin hat sie die DHBW Mannheim kennengelernt und gehört seit Juni 2021 zum Professor*innen-Team der Elektrotechnik. Als Netzwerkerin mit ungebrochenem Wissensdurst freut sie sich darauf, gemeinsam mit Studierenden, Professor*innen und Partnerunternehmen den Innovationgeist an der DHBW Mannheim weiter zu fördern.

Herzlich willkommen an der DHBW Mannheim, Frau Prof. Dr. Lamek-Creutz. Sie sind seit 1. Juni an der Hochschule im Studiengang Elektrotechnik - Automation. Sind Sie gut angekommen?

Vielen Dank. In der ersten Zeit musste ich mich etwas an die Strukturen an der DHBW Mannheim gewöhnen. Sie ähneln sehr einem großen Unternehmen mit klar definierten Aufgaben und Zuständigkeiten. Ich war 8 Jahre lang mit ganz unterschiedlichen Tätigkeiten als Kleinunternehmerin selbstständig. Nun wird mir einiges abgenommen – was es ist und an wen ich mich bei welchem Anliegen wende, muss ich Schritt für Schritt herausfinden. Alle Kolleg*innen aus der Elektrotechnik waren und sind sehr hilfsbereit und haben mich herzlich aufgenommen! In der Onboarding-Zeit habe ich viel Unterstützung von meinem Bürokollegen Prof. Dr. Rüdiger Heintz bekommen. Was mir außerdem hilft, ist das Mentoring-Programm der Fakultät Technik, in dem sich neue Professor*innen und Mentor*innen treffen – meine ist Frau Prof. Dr. Alexandra Dunz und das klappt ganz wunderbar. Inhaltlich hat es sich gut gefügt, denn ich hatte dieses Semester bereits Kurse als externe Dozentin betreut – am 1. Juni hat sich nur formell mein Status geändert. 

Mit Ihrem Unternehmen haben Sie ein breites Portfolio abgedeckt und sehr unterschiedlich geartete Industrieprojekte realisiert. Warum haben Sie sich nun für die Professur an der DHBW Mannheim entschieden?

Ich habe zwar parallel zu meiner Selbstständigkeit gelegentlich noch Vorlesungen an deutschen und chinesischen Hochschulen gehalten, aber der Fokus lag auf den Industrieprojekten. Das intensive Hochschulleben mit Lehre, Forschung und der Zusammenarbeit mit Studierenden haben mir gefehlt. Als die Stelle an der DHBW Mannheim vor ca. 1 Jahr ausgeschrieben war, musste ich mich einfach bewerben. Schon als Dozentin hat mir die inhaltliche Mischung mit den 5 Studienrichtungen im Studiengang Elektrotechnik sehr gefallen. Während des Bewerbungsverfahrens hat sich der positive Eindruck gefestigt, den ich von der DHBW Mannheim hatte, denn die Berufungskommission war so sympathisch, freundlich und ehrlich an meiner Person interessiert, dass ich unbedingt in diesem Team arbeiten wollte. 

Welche Veranstaltungen bieten Sie an?

Im 1. Studienjahr halte ich die Vorlesung „Grundlagen der Elektrotechnik“, in der die Studierenden wichtiges Basiswissen für ihr Studium lernen. Im 2. Studienjahr steht für mich die Vorlesung „Signale und Systeme“ an. Darin fokussieren sich die Studierenden auf mathematische Beschreibungen von technischen Systemen, die dann in der Regelungstechnik oder in der Nachrichtentechnik verwendet werden. Ebenfalls im 2. Studienjahr lese ich „Mikrocomputertechnik“. Darin geht es u. a. um Mikrocontroller, die in embedded systems zum Einsatz kommen, sowie um Softwareentwicklung für Mikroprozessoren. Im 3. Studienjahr beschäftige ich mich in „Anwendungen der Automatisierungstechnik“ mit den aktuellen Themen der industriellen Automatisierungstechnik. Hier freue ich mich besonders auf den Austausch mit den Studierenden im 6. Semester und auf den Einblick in die Praxis, den ich durch die Betreuung interessanter Bachelor-Arbeiten kriegen werde.

Was ist für Sie das Besondere an der Dualen Hochschule?

Ich bin ein großer Fan des dualen Hochschulsystems und finde sehr schade, dass es zu meiner Studienzeit in Dresden noch kein duales Studienmodell mit anerkanntem Hochschulabschluss gab. Ansonsten hätte ich mich nach meinem Abitur bestimmt dafür entschieden. Was ich besonders finde, sind die kleinen Seminargruppen und dass das Theoriestudium praktisch und projektorientiert gestaltet wird. Das führt dazu, dass man als Studierende*r nicht nur Fachwissen, sondern echte Handlungskompetenz erwirbt. Besonders sind natürlich auch die Praxisphasen bei den Firmen, durch die die Studierenden schon während des Studiums Berufserfahrung sammeln.

Inwiefern können Studierende von Ihrem beruflichen und wissenschaftlichen Know-how profitieren?

Studierende können von meiner breiten didaktischen Erfahrung profitieren – in der Hochschullehre und in der Erwachsenenbildung. Ich war mehrere Jahre freiberufliche Dozentin an verschiedenen Hochschulen für Bachelor- und berufsbegleitende Master-Studiengänge, z. B. hier und an der DHBW Stuttgart, an der SRH Hochschule Heidelberg, an der Fachhochschule Aalen, an der Steinbeis Hochschule Berlin oder an drei chinesischen Universitäten. Das E-Learning war einer meiner Schwerpunkte und ich habe für Industriekunden mehrere Web Based Trainings zu Industrie 4.0 konzipiert. Was ich auch mit meinen Studierenden teilen möchte, ist meine Industrieerfahrung. Mit LConsulting habe ich im Auftrag von Großunternehmen aber auch von KMUs Projekte zu Sensorik und Automatisierungstechnik realisiert.

Ihre Zeit in China war sicherlich sehr aufregend. Erläutern Sie uns ein wenig die Hintergründe und wie Sie dazu kamen?

Internationale Zusammenarbeit wird an den Hochschulen, an denen ich war, sehr groß geschrieben. Daher hatten sie diese Hochschulprogramme ausgeschrieben, für die man sich bewerben konnte. Insgesamt habe ich von 2014 bis 2018 daran teilgenommen und war jedes Jahr mindestens 3 Monate lang in China. Nach der Geburt meiner Tochter 2018 habe ich noch Online-Vorlesungen gehalten. Als Gastdozentin an der Shenyang University und an der Wuhan University of Technology hatte ich überwiegend Lehraufgaben, als Gastprofessorin an der North China University of Science and Technology in Tangshan konnte ich den Studiengang Electrical Engineering sogar aktiv mitgestalten. Doch nicht nur deutsche Dozent*innen waren da, sondern z. B. auch welche aus Australien und Ungarn. Deutschland war für die Chinesischen Universitäten spannend, weil es dort den Ruf als starkes Technologieland mit guter Bildung im Bereich Automotive genießt. Über die integrierten Gastprofessuren und -dozenturen sollten chinesische Studierende die Möglichkeit erhalten, einen Doppelabschluss zu erwerben und ihren Master in Deutschland zu absolvieren. Die Grundlagen konnten wir ihnen an den Universitäten vermitteln, aber das Traurige ist, dass sich die wenigsten dort überhaupt leisten konnten, den Weg nach Deutschland anzutreten – das war und ist immer noch mit hohen Kosten verbunden.

Gibt es etwas, dass sich aus dieser Zeit besonders eingeprägt oder Sie beeindruckt hat?

Zunächst einmal ist das Studienmodell ein ganz anderes, ebenso wie die Studierenden selbst. Die Vorlesungen ähneln unseren deutschen Universitäten mit mehreren Hundert Studierenden – die aber etwas mehr Betreuung brauchten als deutsche Studierende. Mein persönlicher Eindruck war, dass an chinesischen Unis das Fachwissen mehr im Fokus steht als projektorientiertes selbständiges Arbeiten. Aber ich finde beide Kompetenzen für Ingenieur*innen wichtig und durch Internationalisierung können sich so verschiedene Hochschulsysteme ergänzen bzw. zusammenwachsen. Beeindruckt haben mich vor allem diejenigen Studierenden, die den Doppelabschluss angestrebt haben. Sie wollten es unbedingt und haben sich sehr angestrengt, die englische Sprache gut zu lernen. Auf persönlicher Ebene war die Gastfreundlichkeit außerordentlich. Wir Gastdozent*innen haben jeweils eine*n Mentor*in zur Seite bekommen, um uns auch in der Freizeit zu begleiten – egal ob beim Shopping oder beim Essen.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe hier an der DHBW Mannheim? Haben Sie sich ein bestimmtes Ziel gesetzt?

Ich liebe Netzwerken und Ideenaustausch auf verschiedenen Ebenen. Ich freue mich deswegen auf das Miteinander im Studiengang Elektrotechnik – mit Kolleg*innen, mit Studierenden und Dualen Partnern. Aber auch mit den anderen Studiengängen der Fakultät Technik. Mein Ziel ist es, einen Beitrag zur dualen Innovation zu leisten, z. B. durch gemeinsame Projekte mit den Dualen Partnern in der industriellen Entwicklung und in der Lehre sowie im Rahmen der Abschlussarbeiten. Ich würde mir für die Zukunft außerdem wünschen, dass die aktuellen Themen rund um Industrie 4.0 noch stärker in das Curriculum des Studiengangs Elektrotechnik eingebunden werden.

Entspricht das auch den Themen, die Sie gern erforschen würden?

Ja, gerne würde ich auf dem Gebiet der industriellen Automatisierungstechnik und Industrie 4.0 kooperativ forschen. Ich interessiere mich für Datenmanagement in der Sensorik, maschinelles Lernen in der inline-Qualitätskontrolle, Condition Monitoring, autonomes Fahren, KI-Hardware sowie industrielle und Assistenzrobotik.

Stichwort KI: Sie haben im letzten Jahr noch ein Fernstudium an der Columbia University New York mit dem Titel „Micro Masters Program – Artificial Intelligence“ gestartet. Wie konnten Sie das mit Ihren eigenen Tätigkeiten vereinbaren und warum haben Sie sich für diese Weiterbildung entschieden?

Als letztes Jahr die Corona-Pandemie begann, zogen sich manche meiner Kunden aus Unsicherheit zurück und ich hatte weniger zu tun. Also nutzte ich die Zeit für die Weiterbildung im Bereich Künstliche Intelligenz. Das Studienangebot dazu ist sehr breit, doch das Studium an der Columbia war das einzige mit dem Schwerpunkt KI in der Robotik. Ich habe schon früher kleine Kundenprojekte aus diesem Themenspektrum gemacht und mir etwas Wissen on the job angeeignet, aber durch das Studium kann ich strukturiert die ganze Bandbreite der KI kennenlernen und die Anwendungsgebiete besser verstehen.

Haben Sie einen Tipp für ein erfolgreiches Studium?

Die Studienzeit ist ein sehr dynamischer Lebensabschnitt. Das Studium an der Dualen Hochschule ist besonders anspruchsvoll, da sich die Theorie- mit Praxisphasen zwischen Hochschule und Unternehmen schnell abwechseln. Es ist deswegen besonders wichtig, dass man fokussiert bleibt und das Hauptziel, erfolgreicher Studienabschluss, nicht aus den Augen verliert. Das erfordert natürlich viel Selbstdisziplin. Wir Professor*innen an der DHBW Mannheim unterstützen unsere Studierenden so gut wie möglich und geben unsere Erfahrung gerne weiter. Wer im Studium erfolgreich sein will, muss allerdings lernen, die Verantwortung für sein Studium und sich selbst zu übernehmen.

Gibt es etwas, das Sie Ihren Studierenden außerhalb der Lehre mit auf den Weg geben möchten?

Ich wünsche meinen Studierenden viel Optimismus. Lachen Sie viel und seien Sie offen. Die Welt ist schön. Lernen Sie anderen zuzuhören, versuchen Sie deren Argumente zu verstehen. Handeln Sie erfolgsorientiert und entschlossen, um Ihre Ziele und Träume zu erreichen, denn: „Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo.“ 

Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?

Ich werde die Leser*innen nicht mit einem extremen Hobby überraschen. Ich mag Wanderungen und Fahrradtouren, ich besuche gerne europäische Städte und Länder. In Europa kenne ich fast alle Länder und spreche selbst vier europäische Sprachen. Ich liebe Spaziergänge am Strand und Sonnenuntergänge am Meer. Ich lese gerne Bücher. In den letzten Jahren verbringe ich den Großteil meiner Freizeit mit meiner inzwischen 3,5-jährigen Tochter Sophia. Zum Schluss dieses Interviews teile ich deswegen ein Ausschnitt unseres letzten Gesprächs:

Ich: „Sophia, Ich bin so stolz auf Dich. Du kannst schon sprechen, singen und tanzen.“
Sie (hört aufmerksam zu und ergänzt entschlossen): „Mama, hast vergessen ... und auf Bäume klettern kann ich.“

Vielen Dank und alles Gute, Frau Prof. Dr. Lamek-Creutz!